Die Sicherheit auf deutschen Baustellen steht vor neuen Herausforderungen. Laut aktuellen Branchenberichten werden immer weniger Sicherheitsbeauftragte eingesetzt – und das in einer Zeit, in der Bauprojekte komplexer, Zeitpläne enger und Gefahrenpotenziale größer werden. Diese Entwicklung sorgt in der Bauwirtschaft für erhebliche Sorge, denn sie könnte langfristig zu einem Anstieg von Arbeitsunfällen und gesundheitlichen Risiken führen.
Rückgang der Sicherheitsbeauftragten in der Praxis
Sicherheitsbeauftragte übernehmen auf Baustellen eine zentrale Funktion: Sie erkennen Gefahren frühzeitig, achten auf die Einhaltung von Schutzmaßnahmen und sensibilisieren Kolleginnen und Kollegen für sicheres Verhalten. Doch wie aktuelle Auswertungen zeigen, wird diese Rolle zunehmend seltener besetzt. Gründe sind Kostendruck, Fachkräftemangel und organisatorische Umstrukturierungen in vielen Bauunternehmen.
Während größere Betriebe meist über eigene Arbeitsschutzbeauftragte verfügen, wird die Verantwortung in kleineren Firmen häufig auf Bauleiter oder Poliere übertragen. Diese sind jedoch in erster Linie mit Baufortschritt, Koordination und Terminplanung beschäftigt – die Sicherheitsüberwachung bleibt dann oft auf der Strecke.
Mehr Baustellen, weniger Kontrolle
Mit dem anhaltenden Bauboom und der wachsenden Zahl paralleler Projekte steigt auch der Koordinationsaufwand. Gerade bei komplexen Bauvorhaben mit mehreren Gewerken und Subunternehmen ist eine konsequente Sicherheitsüberwachung entscheidend. Wenn hier weniger Fachpersonal zur Verfügung steht, wächst das Risiko von Unfällen, Verletzungen und langfristigen Gesundheitsschäden.
Besonders problematisch sind Arbeiten unter Zeitdruck: Fehlende Absicherungen, unzureichende Schutzausrüstung oder mangelnde Einweisung neuer Mitarbeiter gehören laut Berufsgenossenschaften zu den häufigsten Ursachen für Unfälle. Ohne ausreichend geschulte Sicherheitsbeauftragte bleibt die Kontrolle solcher Risiken lückenhaft.
Gefährdung durch neue Baustellenbedingungen
Hinzu kommt, dass die Baustellen selbst anspruchsvoller werden. Neue Materialien, moderne Maschinen und digitalisierte Arbeitsprozesse bringen zusätzliche Sicherheitsanforderungen mit sich. Auch Themen wie Staub- und Lärmschutz, der Umgang mit Gefahrstoffen oder ergonomisches Arbeiten rücken stärker in den Fokus.
Fehlt die fachkundige Begleitung, entstehen schnell unerkannte Risiken – etwa durch fehlerhafte Belüftung, unzureichende Absturzsicherungen oder den Umgang mit belastenden Baustoffen. Schon kleine Versäumnisse können schwerwiegende Folgen haben, nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für die Projektverantwortlichen, die bei Unfällen haftbar gemacht werden können.
Appell an Unternehmen und Verbände
Arbeitsschutzexperten und Berufsgenossenschaften schlagen daher Alarm. Sie fordern, die Zahl der Sicherheitsbeauftragten nicht weiter zu reduzieren, sondern deren Ausbildung und Bedeutung zu stärken. Prävention sei langfristig günstiger und nachhaltiger als die Folgen von Arbeitsunfällen, die neben menschlichem Leid auch enorme wirtschaftliche Schäden verursachen.
Empfohlen wird, Sicherheitsbeauftragte frühzeitig in die Bauplanung einzubinden, regelmäßige Schulungen anzubieten und sie als festen Bestandteil der Projektorganisation zu etablieren. Moderne digitale Tools – etwa Apps zur Gefährdungserfassung oder digitale Checklisten – können die Arbeit zusätzlich unterstützen, ersetzen aber keine persönliche Kontrolle vor Ort.
Verantwortung darf nicht delegiert werden
Der Rückgang an Sicherheitsbeauftragten zeigt ein strukturelles Problem in der Branche: Sicherheit wird häufig erst dann Thema, wenn bereits etwas passiert ist. Dabei liegt die Verantwortung klar beim Arbeitgeber. Arbeitsschutz ist keine optionale Aufgabe, sondern eine gesetzliche Pflicht und ein Zeichen professioneller Unternehmenskultur.
Weniger Sicherheitsbeauftragte bedeuten mehr Risiken – für Mitarbeiter, Bauabläufe und Unternehmen. Wer dagegen auf Prävention, Schulung und kontinuierliche Kontrolle setzt, schafft nicht nur ein sichereres Arbeitsumfeld, sondern stärkt auch Motivation und Vertrauen auf der Baustelle. Nur so lässt sich verhindern, dass Effizienzstreben am Ende teurer wird als jede eingesparte Arbeitskraft.
Quelle: handwerksblatt.de